Fragen und Antworten
Blindheit und Sehbehinderung sind komplexe Themen, zu denen anfangs immer wieder gleiche oder ähnliche Fragen auftauchen. Die häufigsten und ihre Antworten haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Diese Liste gibt Ihnen einen ersten Überblick. Natürlich beantwortet jeder blinde und sehbehinderte Mensch ihm gestellte Fragen individuell nach seinen Erfahrungen und Erkenntnissen. Wenn Sie weitere Fragen haben, nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf, wir helfen Ihnen gern.
1. Können blinde Menschen Farben erkennen?
Geburtsblinde Menschen kennen keine Farben. Sie versuchen Vergleiche zu spürbaren Gegenständen herzustellen, zum Beispiel Rot = Feuer, Blau = Wasser. Neuerblindete behalten in den meisten Fällen das farbliche Vorstellungsvermögen.
Zur Farberkennung gibt es elektronische Hilfsmittel, zum Beispiel den Color-Tester. Das Gerät ist ein batteriebetriebener Miniaturtastkopf, der mehr als 30 Farben erkennen und über einen eingebauten Sprachsynthesizer ausgeben kann. Sein künstliches Auge erkennt das gesamte Spektrum der Farben und gibt sie in 150 Nuancen wieder.
2. Heißt Blindsein gar nichts zu sehen?
Nach den gesetzlichen Bestimmungen liegt Blindheit nicht nur dann vor, wenn man überhaupt nichts mehr sieht. Als blind bezeichnet man auch Personen, deren Sehvermögen auf dem besseren Auge trotz Korrektur nicht mehr als 2% (1/50) beträgt oder deren Gesichtsfeld sehr stark (auf 5 Grad oder weniger) eingeschränkt ist.
3. Ab welchem Visus gilt man als sehbehindert?
Sehbehindert sind alle Menschen, die auf dem besseren Auge trotz Korrektur 30% und weniger sehen. Als hochgradig sehbehindert gilt man, wenn man auf dem besseren Auge trotz Korrektur nicht mehr als 5% (1/20) sieht.
4. Welche Sportarten können blinde Sportler*innen ausüben?
Nahezu alle. Mit besonderen Hilfsmitteln, wie zum Beispiel akustischen Bällen (Goalball) üben Blinde und Sehbehinderte in verschiedenen regionalen Gruppen erfolgreich die unterschiedlichsten Sportarten aus. Hierzu zählen das blindengerechte Kegeln, Skat- und Schachturniere, gemeinsame Tandemtouren, Segeln, Schießen und Trampolinspringen.
Seit der WM 2006 hat sich in Deutschland eine rege Blindenfußballszene entwickelt – mit eigener Bundesliga. Mit Showdown hat sich ein dem Tischtennis ähnliches Spiel etabliert, das auch sehende Menschen mitspielen können.
5. Auto- und Radfahren – wie funktioniert das?
Eigenständiges Autofahren ist natürlich nicht möglich. Allerdings gibt es auch in Niedersachsen immer wieder „Autofahren für Blinde“. Auf einem zuvor genehmigten Gelände, in den allermeisten Fällen auf Flugplätzen, können seheingeschränkte Menschen in Begleitung eines Fahrschullehrers selbstständig fahren. Der Fahrschullehrer gibt Fahranweisungen (schneller, langsamer, rechts, links) und kann notfalls in das Geschehen eingreifen.
Radfahren ist mit einem Tandem möglich, wobei der blinde oder sehbehinderte Mensch auf dem hinteren Sattel Platz nimmt. Gesteuert wird das Tandem von einer/m Sehenden, der/m Pilot*in.
6. Wie unterstütze ich blinde Passant*innen beim Überqueren der Straße?
Wenn Sie den Eindruck haben, ein blinder oder sehbehinderter Mensch kommt alleine nicht mehr zurecht, dann sprechen Sie ihn freundlich an, ob Sie helfen können. Wird die Frage bejaht, bieten Sie Ihren Arm an, sodass die Person ihn oberhalb des Ellenbogens umfassen kann.
7. Können blinde Menschen im Internet surfen?
Ja. Für Menschen, die blind oder sehbehindert sind, gibt es eine Vielzahl technischer Hilfsmittel (Vorlesegeräte, vergrößernde Sehhilfen, Braillezeilen, Vorlesesysteme), die es ermöglichen, einen Computer zu benutzen und somit auch im Internet zu surfen. Darüber hinaus sollten alle Internetseiten barrierefrei sein. Das Ziel ist leider noch nicht erreicht.
8. Wie viele blinde und sehbehinderte Menschen gibt es in Niedersachsen und in der Bundesrepublik Deutschland?
Leider werden in Deutschland bisher keine verlässlichen Zahlen über blinde, hochgradig sehbehinderte und sehbehinderte Menschen erhoben. Die Zahlen der Schwerbehindertenstatistik können lediglich als gesicherte untere Grenze angesehen werden. Es muss von einer größeren Dunkelziffer ausgegangen werden, da es sich in Wirklichkeit nicht um eine Statistik der Menschen mit Schwerbehinderung, sondern der Menschen mit Schwerbehindertenausweis handelt, den viele sehbehinderte Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht haben bzw. beantragen.
Nach Hochrechnungen aus WHO-Zahlen gab es im Jahr 2002 ca. 1,2 Mio. blinde und sehbehinderte Menschen in Deutschland. In Niedersachsen gibt es etwa 9.000 Blindengeldempfänger. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Mindestzahl, da davon auszugehen ist, dass vor allem viele alte späterblindete Menschen keinen Antrag auf Blindengeld stellen.
9. Können blinde Menschen fernsehen?
Filme ohne Bilder, das ist der Alltag für blinde und sehbehinderte Menschen, die trotzdem zu 80% das Fernsehen als Informations- und Unterhaltungsmedium nutzen. Bei Spielfilmen ist es oft schwierig, der Handlung zu folgen. Dann sind erklärende Hinweise notwendig, die beschreiben, was im Bild vor sich geht.
Diese Beschreibung heißt Audiodeskription. Kurze, knappe und prägnante Texte werden im Tonstudio mit dem Originalton abgestimmt und auf die zweite Tonspur des Sendebandes gebracht. Die Filme mit zusätzlicher akustischer Bildbeschreibung heißen Hörfilme. Sie werden im Zweikanalton-System ausgestrahlt. Auf Kanal 1 ist der reguläre Filmton zu hören und auf Kanal 2 der Filmton mit zusätzlicher Beschreibung (Audiodeskription).
10. Wie kommt es zu einer Erblindung?
Die Ursachen für eine Erblindung sind sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die blind geboren werden. Ursache dafür kann z.B. eine Rötelerkrankung der Mutter während der Schwangerschaft sein. Der überwiegende Teil erblindet im Alter, zum Beispiel durch Diabetes, die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) oder den Grünen Star (Glaukom).
11. Wie orientiert man sich in der Umwelt?
Um einen Weg allein beschreiten zu können, benötigen blinde Menschen eine intensive Schulung in Orientierung und Mobilität mit dem Blindenlangstock. Dennoch gibt es immer wieder Unfälle durch mangelhafte Absicherung zum Beispiel von Baustellen, fehlende Markierung an Treppenstufen oder das Fehlen von akustischen und taktilen Signalen an Ampelanlagen.
Zur zusätzlichen Unterstützung setzen immer mehr mobile blinde Menschen Navigationssysteme ein. Die machen zwar den Langstock nicht überflüssig, unterstützen aber die Orientierung.
12. Wie träumen blinde Menschen?
Jeder Mensch hat Träume, so auch blinde Menschen. Neuerblindete Menschen haben auch bildhafte Träume, die durch Ihre frühere visuelle Wahrnehmung entstehen.
13. Wie stellt sich ein Mensch, der seit seiner Geburt blind ist, die Welt vor?
Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Geburtsblinde Menschen müssen sich die Welt über ihre anderen Sinne erarbeiten, vor allem akustisch und taktil. Hilfsmittel zur räumlichen Vorstellung, zum Beispiel beschriftete Reliefgloben oder taktile Landkarten, helfen dabei. Auch über Beschreibungen durch Dritte entwickeln viele geburtsblinde Menschen eine Vorstellung von ihrer Umgebung, der Umwelt, der Welt.
14. Welche Ängste bringt eine Erblindung mit sich?
Der teilweise oder völlige Verlust des Sehvermögens wirkt sich in erster Linie als gravierende Einschränkung im Berufsleben, bei der Informationsbeschaffung, in der Mobilität und bei der Kommunikation aus. Das führt zu konkreten Benachteiligungen der betroffenen Menschen in vielen Lebensbereichen.
In vielen Fällen zieht die Erblindung zum Beispiel den Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes nach sich, einhergehend mit der Sorge, nicht mehr gebraucht zu werden. Die damit verbundene Minderung gesellschaftlichen Ansehens und die Gefahr der Vereinsamung werden zusätzlich als Ausgrenzung erlebt. Die völlige Veränderung der bisherigen Lebenssituation und die notwendige Neuorientierung erscheinen zunächst unüberwindbar. Hinzu kommt die seelische Belastung der Betroffenen und der ihm verbundenen Menschen/Angehörigen.
Ohne kompetente Beratung, Hilfsmaßnahmen und Unterstützungsangebote ist eine erfolgreiche Integration nicht zu leisten.
15. Darf man das Wort “Sehen” in verschiedenen Variationen gegenüber seheingeschränkten Menschen führen?
Das Wort "Sehen" verwenden blinde und sehbehinderte Menschen ebenso wie Sehende.